【 Ein Pulsnehmen, ein Pulsgeben im Raum 】
Do. 05. März
SPEED SPEECH
Zum Enter for Newcomer "Raum sprich mit mir"
Die Fenster vom DOCK sind breit, hoch und dick. An manchen Stellen ihrer dem Rauminnern zugewandten Seite haften runde Gegenstände: Es sind entkleidete Lautsprecher, runde, nackte Klangschüsseln ohne Gehäuse. Heissleim lässt sie wie Saugnäpfe an den Vitrinen kleben. Feine Kabel führen von den Lautsprechern aus tiefer in das Innere des Kunst - und Diskursraums. Sie schlängeln sich über den grauen Boden hin zum Epizentrum der Installation: Da steht ein untersockelter Verstärker, der unentwegt Signale an seine Ausstülpungen senden muss. Ich stehe draussen an der Ecke Kanderstrasse und ich überblicke die schlüssige Aktionskette, doch ich höre nichts. Ganz nah an das Fenster führe ich mein Ohr, genau vor den grössten Lautsprecher. Ich vernehme ein sehr entferntes Summen; beinahe instinktiv berühre ich die Fensteroberfläche, neugierig darauf, ob ich eine Vibration verspühre. Nichts.
Ich gehe um die Ecke und trete in den Raum. Die schwarzen Bodenkabel erheischen Aufmerksamkeit, denn sie wollen beachtet und überstiegen werden. Wie leicht könnte man über sie rüberstolpern, umfallen, den Verstärker vom Sockel oder einen Lautsprecher vom Fenster reissen. Das entfernte Summen von draussen ist hier drinnen ein unmittelbares Konzert. Die Lautsprecher summen, trommeln, fiepen. Es sind keine erkennbaren Alltags- und Umweltgeräusche wie bei früheren, mir bekannten Arbeiten von Nicole Wietlisbach, die hier in -und umeinander klingen. Es sind auch keine weissen, pinken, grauen oder braunen Noises. Synthetisch und gleichsam hölzern und handgemacht tönen sie, die Klänge, die abwechselnd und vorerst ohne erkennbare Systematik aus den Rücken der Speaker tropfen. Vieleicht sind es Destilate aus der Umwelt, modulierte und abstrahierte Geräusche von draussen, die von der Künstlerin umgeformt, übermalt, kondensiert, präpariert wurden - und die hier drinnen nun zu neuen Tönen gerinnen.
Es sind, so denke ich alsbald, sehr angenehme Klänge: Keine Verstörungen, vieleicht ein paar Verwunderungen, eine Art akkustischer Massage, ein Pulsnehmen, ein Pulsgeben im Raum, ausgehend von den Schüsseln an den Scheiben, die mich nun plötzlich auch an Stetoskope erinnern.
Martin Chramosta, Künstler, www.martinchramosta.net