【 Voreinstellung, zwischen Hitchcock, Sufi und Dreifaltigkeit 】
Do. 17. April
SPEED SPEECH
Zum Gastspiel "Annäherungen an Mare Montes"
Gründonnerstag, mich nicht vorbereiten, werde von Marica vorher nicht persönlich gefragt, sondern von ihrer Kuratorin. Verstimmt mich. Interessant. Ich kenne Marica, es ist schon länger her, gute Erinnerung. Sehe sie sitzen und sprechen draussen, neben dem DOCK, halte mit Fahrrad nicht an, denke, na gut, es bedeutet für mich etwas, wenn sie mich nicht selbst fragt, ich nämlich habe zugesagt, weil ich sie kenne. Das sind die Vorbedingungen.
Gründonnerstag ist ein heikler Tag. Danach kommt Karfreitag. Die Anfrage kommt kurzfristig. Das ist angenehm. Ich bereite mich nicht vor. Kaum. Wie verabredet eine Stunde vorher sich treffen. Keinen Text verfassen. Im Moment sprechend handeln. Annäherung an Mare Montes, der Saaltext nervt mich sehr. Schöne Wut. Ich verspreche mir, nie mit dem Wort Identität herumzumüllen.
Komme mit dem Thema Voreinstellungen an und habe vorher untersucht: Mare Montes gibt es so nicht. Das reicht. Den Monte Veritas gibt es. Verschiedene Meere und montierte Hügel gibt es. Voreinstellung, preface, Vorgesicht. Und da ist ein Gesicht, dreimal, hinter einem Vorhang von Haaren und dreht sich. Drehen ist immer magisch, trancig. Ich sage, dass ich nicht über den Saaltext jetzt was sage, ... weil ich, eine Stunde im Raum mit den Menschen, nicht unverblümt zu sprechen aufgelegt bin. Saaltexte sind an sich eine Verlegenheit. Die ganze Kultureinrichtung mit ihren Ritualen peinlich. Der Saaltext ist eine performative Angelegenheit, eine Deutungseröffnung, eine Entscheidung, wie mit Macht diesbezüglich ... besser vergessen, es geht nicht um Text dabei. Dass ich mit meinem Vorgesicht auf ein Vorhanggesicht treffe, freut mich. Zeigt, dass wir schon da sind, bevor wir da sind. Um Text, den ich mag. Den grösseren Text, in dem wir schon alle drin sind und nur noch lesen. Wir, das bin ich und meine Voreinstellungen.
Die Kopfgeberin trifft ein und ist leicht zu erkennen. Dieses Video könnte für mich besser nur einmal da sein, dreimal, da ahne ich Absicht. Ich mag keine Absicht, Rhetorik oder sonstige Pädagogik in der Kunst. Glaube plötzlich ein Gesicht zu erkennen hinter den Haaren, als ob das Gehirn es zwanghaft ergänzt, Horrorfilmeffekt, Dusche, Haare, kein Ton ist gut hier. Der eigene Kopf, die eigenen Haare sehen mit. Dein Kopf dreht sich in meinem Kopf um das Kopfdrehen und die Effekte. Die Stofflichkeit ist anziehend, Wunsch anzufassen, den Pullover, die Schultern. Die Person hinter der Kamera atmet. Die gefilmte Person atmet. Surrealismus jetzt auch noch. Preface. Das Drehen, das Atmen, das Verhängte ... werde gerne dran vorbei radeln im Dunkeln, absteigen, vorbeischieben, die Ansichten werden sich dann verschieben, bestimmt.
Birgit Kempker, Schriftstellerin und Kulturpädagogin